Der Duft verstorbener Träume und bitterer Realitäten ist aus der Hamburger Schule noch nicht verschwunden, da schreitet Dennis Kiss langsamen Schrittes durch die Räumlichkeiten. Die Atmung wird tief und lang, die Konfrontation mit den Ängsten des adoleszenten Lebens scheint unausweichlich. Ungewissheit liegt in der Luft. Mit dem Debütalbum „Norddeich Mole“ (2024) legt der Schweizer Ende letzten Jahres eine Perle zeitgenössischer Indie-Prosa vor, die von den Sportfreunden Stiller über den Rolling Stone bis zum Schall-Magazin viele Fans gewinnt. Die Texte existenziell und introspektiv, die Gitarren treibend und doch irgendwie auch traurig, die Energie entgegen aller Widerstände ungebrochen. Nachdenkliche Nummern wie „Kiezmond“ oder „Tekken 4“ sind Begleitmusiken für das urbane Leben in der Wüste der modernen Wirklichkeit, in der Perspektiven schwinden und Aufgeben dennoch keine Option ist. Frei nach Camus: das Absurde des abendländischen Menschseins annehmen und zelebrieren – aber nichtsdestotrotz Kraft aus der Gewissheit schöpfen, die Dinge immer noch in die Hand nehmen zu können. Dennis Kiss positioniert sich damit als Quereinsteiger des deutschen Indie-Rocks und vielleicht als seine Rettung.